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Sigmund Freud: Glück, Leid, Hedonismus und Lebenszweck

Einleitung

Der als Begründer der Psychoanalyse geltende Sigmund Freud analysiert in seinem Werk "Das Unbehagen in der Kultur" auch die Situation des Menschen im Bezug auf sein zu der Empfindung von Glück und Leid befähigtes Wesen. Da der Mensch von drei Seiten her Bedrohung durch das Leid erfährt, ist es für ihn notwendig, geeignete Strategien zu beherrschen, um sich dessen zu erwehren und sein Glück zu sichern. In diesem Rahmen thematisiert Freud auch die Frage nach dem Lebenszweck und dessen Begründbarkeit, auch im Bezug auf die Religion. Innerhalb dieser Argumentation legt er dar, dass der Mensch nach dem Lustprinzip handelt und definiert den subjektiven Lebenszweck somit implizit als einen hedonistischen.

Definition: "Hedonismus"

Um das Verständnis von Sigmund Freuds Konzept zur Erlangung von Glück zu erleichtern ist es hilfreich zu wissen, was die Lehre des Hedonismus besagt - auch wenn sich Freud nicht explizit dieses Begriffes bedient, so ist es doch implizit auch das von ihm ausgesagte Lebensprinzip.

Der Ursprung des Wortes Hedonismus liegt im griechischen Wort hëdonë, was sich mit "Lust", "Genuß" oder "Vergnügen" [1] übersetzen lässt. Die Lehre des Hedonismus besagt, dass sowohl das Glück des einzelnen Menschen als auch das Kriterium der Sittlichkeit alleinig im Gefühl der Lust besteht. Diese von Aristipp begründete Theorie wurde besonders von den englischen Philosophen John Locke, David Hume und Jeremy Bentham aufgegriffen und diente ihnen als Grundlage für ihre Moraltheorien. So bestimmte beispielsweise Jeremy Bentham das ethische Prinzip als Forderung, "das größtmögliche Glück für die größtmögliche Zahl" von Menschen anzustreben und zeigt mit dieser gleichwohl utilitaristischen Bestimmung auf, dass es sich beim Hedonismus nicht zwangsläufig um ein egoistisches, den Anderen gegenüber gleichgültiges Prinzip der persönlichen Lustmaximierung handeln muss.

Wenn das Glück nun aber ein Anzustrebendes ist, so bedeutet dies auch, dass es nicht etwas a priori gegebenes und konstantes ist - im Gegenteil: die Annahme liegt nahe, dass ein solches Gut kostbar, wechselhaft und nicht unbegrenzt verfügbar ist. Daraus folgt, dass es etwas das Glück behindernde geben muss, das es im Vorgang des Anstrebens zu überwinden gilt.

Konzeption eines Lebenszwecks

Behinderungen des Glücks

Die These, das Leben sei für den Menschen generell unerträglich, da es zu viele Enttäuschungen, Schmerzen und unlösbare Aufgaben birgt [2], dient Freud als Ausgangspunkt für die Entwicklung seines Lösungskonzepts hin zu einem erträglicheren Seinszustand.

So zeigt er auf, dass dem Menschen das Leid von drei verschiedenen Seiten droht. Die Außenwelt stellt ein erste, der Person gänzlich externe Gewalt dar, die befähigt ist, Leid hervorzurufen, weil sie "mit übermächtigen, unerbittlichen, zerstörenden Kräften gegen uns wüten kann" [3], z.B. in Form von Naturgewalten, die sich gegen uns richten. Die daraus schon theoretisch resultierende Hilflosigkeit, die trotz aller Fortschritte der Wissenschaft und Technik nicht gänzlich egalisiert werden kann, ist neben der möglichen tatsächlichen Gewalt eine Leidquelle für den Menschen.

Aber auch auf interpersoneller Ebene gibt es in diesem Sinne keine wirkliche Sicherheit, denn als Kulturwesen sind wir auf Mitmenschen, Beziehungen und soziale Kontakte angewiesen, obwohl diese stets die Gefahr tiefer Kränkung z.B. durch Zurückweisung, Spott oder Ausgrenzung beinhalten. Diese nach Freud potentiell schmerzhafteste Leidquelle birgt die weitere Tücke, dass wir in diesem Fall, anders als bei der Außenwelt, eine zumindest theoretische Wahl zu treffen haben. Es wäre ja auch möglich, der Menschheit und damit der aus der Interaktion mit seinen Individuen resultierenden Gefahr durch Rückzug in die Isolation zu entgehen - mit dem Ziel, sein Glück in der Ruhe zu finden. Dadurch entschwinden jedoch auch viele mögliche Glücksmomente, wie z.B. die Liebe oder Momente nährender Interaktion allgemein, so dass keine Lösung des Problems, sondern allenfalls eine Verschiebung dessen erreicht werden kann und die soziale Isolation, wie Freud analysiert, in den Wahnsinn treibt [4]. Im Sinne einer psychoanalytischen Gesamtkonzeption wäre die Anamnese und Ursachenforschung hinsichtlich psychischer Störungen, wie z.B. der von Freud ausgiebig studierten Neurosen, in diesem Aspekt der Gefährdung anzusetzen.

Doch auch die Herrschaft über unseren Körper liegt nicht gänzlich in unserer Hand. So drohen Krankheit, Alterungsprozesse und letztendlich der Tod als unabwendbare Eingriffe in das intrapsychische Glücksempfinden.

Gewiss wird es mehr und mehr möglich, in verschiedenste derartige Prozesse einzugreifen und die Natur dem menschlichen Willen zu unterwerfen. Realistisch betrachtet handelt es sich hierbei allerdings eher um "Pflaster" als um "Medizin", d.h., trotz wachsender Möglichkeit zur Intervention durch Medizin und Technik wird es in denkbarer Zukunft nicht zu einer Determinierung der Natur durch den Menschen kommen können. Auch die derzeitigen Trends, die Jugendlichkeit und Schönheit übermäßig preisen und wertschätzen wirken mit weiter verstärkendem Charakter auf den Aspekt der naturbedingten Alterung ein und führen so schlimmstenfalls zu einer weiteren Verschlimmerung des drohenden Leids für all diejenigen, die diesem Schönheitsideal nicht mehr entsprechen können.

Aus diesen Umständen ergibt sich eine Bedrohung des subjektiven Glücks, genauer gesagt der menschlichen Psyche und ihrer Möglichkeit der Glücksempfindung - und zwar sowohl von außen als auch aus Interaktionen mit anderen Menschen und vom eigenen Körper her. Diese drei Kategorien von Leidquellen lassen sich in diesem Kontext als Wirkzusammenhang interpretieren - d.h. auf Grund dieser Faktoren wird das Glück der Person bedroht, oder anders, diese Faktoren wirken auf den intrapsychischen "Kosmos" und die Fähigkeit zur Empfindung von Glück (innerhalb dieses) ein.

Ist das Glück nun also ein nur von für die Person externen Ursachen abhängiges Gut oder ist eine Einflussnahme seitens der betreffenden Person möglich?

Mögliche Lösungskonzepte

Die Konfrontation des Menschen mit der Vielzahl von Leidquellen macht es nach Freud notwendig, geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen. So betrachtet er es (unter Bezugnahme auf Theodor Fontane) als unabdingbar, die menschliche Existenz mit "Linderungsmitteln" und "Hilfskonstruktionen" einer fortlaufenden Modifikation zu unterziehen und legt dar, dass die Menschheit zu diesem Zweck drei verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung hat, zwischen denen Wahlpflicht besteht. Die im Sinne von Freuds psychoanalytischer Gesamtkonzeption als Mittel der Leidabwehr einzustufenden Methoden stellen sich in Form der Konzepte der "mächtigen Ablenkung", der Ersatzbefriedigung und der Intoxikation dar und werden im folgenden näher erörtert.

Ersteres soll die Geringschätzung des Elends ermöglichen. Es liegt nahe, dass dieses Konzept nach dem Prinzip der Kopplung von Vergleichs- und Relativierungsmomenten funktioniert und zwar in dem Sinne, dass die Ablenkung eine Verschiebung des Fokusses der Aufmerksamkeit nach sich zieht. So wäre beispielsweise das aus der Ablehnung durch Mitmenschen entstehende Leid subjektiv als geringer anzusehen, wenn der Fokus der Wahrnehmung auf ein geschätztes wissenschaftliches Thema verschoben würde. Die Idealisierung des einen würde so die Möglichkeit zur Geringschätzung des anderen eröffnen. Wie an späterer Stelle noch näher darlegt wird, handelt es sich nach Freud bei jeder Art von Leid nur um eine Form der Empfindung, was auch für diesen Fall zur Folge hat, dass eine Fokussierung der Wahrnehmung auf einen erfreulichen Teilbereich das Nicht-Empfinden des Leids als Produkt der intrapsychischen Wahrnehmung bedingen kann. Auch das ausgiebige Baden-gehen nach belastenden Situationen könnte eine intuitive Abwehrmethode dieser Kategorie zum Ausdruck bringen. Fraglich bleibt jedoch, ob es sich bei einem solchen Vorgang um einen bewussten oder unbewussten handelt - nach der Theorie der analytischen Psychologie Freuds ist letzteres zumindest anzunehmen.

Der Ausgleich durch Ersatzbefriedigungen stellt eine Art der Triebbefriedigung durch etwas in diesem Sinne Synthetisches und an sich Triebfremdes dar. Dabei wird also genauer betrachtet eine Verbindung zwischen einem Trieb, der durch eine Form des Nicht-Vorhandenseins oder Nicht-Erreichbarseins seines spezifischen Objekts zu einer Leidquelle für den Menschen wird und einem triebfremden Objekt hergestellt [5], so dass es doch zu einer wenn auch synthetischen Befriedigung in Form einer Substituierung des Triebes mit einem erreichbaren Objekt wie z.B. der Kunst kommt.

Für roher aber auch wirkungsvoller (als genannte) erachtet Freud jedoch die Möglichkeit der chemischen Modifikation des Seelenlebens, der Intoxikation, d.h. der "Vergiftung" des eigenen Körpers mit psychotrophen Substanzen wie z.B. Alkohol oder Opiaten. In dem auf diese Weise zu erreichenden Zustand soll das Individuum unempfindlich für den real vorliegenden (psychischen) Schmerz sein ­ wenn auch nur für die Wirkungsdauer der jeweiligen Substanz. Freud schließt, dass "alles Leid nur auf Empfindung" beruht und es überhaupt nur bestehen kann "insofern wir es verspüren, und wir verspüren es nur infolge gewisser Einrichtungen unseres Organismus" [6]. Dies hat die von Freud betonte Wirksamkeit der Intoxikation zur Folge, denn sie greift in diese Einrichtungen ein. Wie er darlegt, können diese körperfremden Stoffe nicht nur zur Wahrnehmung von Unglück untauglich machen, sondern zudem noch unmittelbar zur Empfindung von Glücksmomenten führen. Dass derartige "Wundermittel" meist mehr Tücken aufweisen und sogar gänzlich neue Probleme aufwerfen können beschreibt Freud dadurch, dass er veranschaulicht, dass bereits "Individuen wie Völker ihnen [den Rauschmitteln] eine feste Stellung in ihrer Libidoökonomie eingeräumt haben" [7] und dadurch unter Umständen dazu geführt haben, "dass große Energiebeträge, die zur Verbesserung des menschlichen Loses [hätten] verwendet werden können, nutzlos verlorengehen" [8]. Die Lösung intrapsychischer Probleme auf die Dauer in der Zufuhr von körperfremden "Glücksmolekülen" zu suchen ist somit als defizitär zu bewerten, weil sie die Anwendung von angemesseneren Lösungsstrategien behindert und auf diese Weise den Fortschritt des Individuums durch Unterdrückung des "Symptoms" des Unglücklich-Seins gefährdet.

Auf diesen Umständen aufbauend lässt sich der Verdacht erhärten, dass es für den Menschen an sich durchaus nicht einfach ist, ein möglichst leidfreies Leben zu führen und somit eine Frage nach dem Sinn der eigenen Existenz naheliegt. So scheint es wenig verwunderlich, dass sich die Religionen der Welt seit jeher mit diesem Problem beschäftigt haben.

Religion als Wegweiser

Die Frage nach dem Sinn des Lebens ist wohl zu den wichtigsten und ersten Fragen der Menschheit zu zählen. Die Religionen haben sich, wenn auch jede auf ihre eigene Weise, als Instanzen der Definition verbindlicher Lebensregeln dessen angenommen. Im folgenden wird dargelegt, welchen Mechnanismus Sigmund Freud hinter den Religionen vermutet und welchen Stellenwert er ihm beizumessen bereit ist.

Wie Freud betont, ist es "nur die Religion, die die Frage nach einem Zweck des Lebens zu beantworten weiß" [9] und somit den Versuch unternimmt, eine für alle Angehörigen der Glaubensgemeinschaft gültige Antwort auf diese Sinnfrage zu geben. Durch dieses Setzen einer Antwort ist es den Menschen daraufhin möglich, nach diesem Lebenszweck zu leben, ohne diesen Zweck verstehen oder reflektieren zu müssen. Es erscheint fraglich, inwieweit eine solche Konzeption eines verbindlichen Lebenszwecks mit der Theorie der Individualität überhaupt vereinbar ist und ob diese gesetzten Lebensmaxime irgendeinen bis auf einen eingebildeten Grund haben.

Die zugrundeliegende Technik besteht nach Freud darin, "den Wert des Lebens herabzudrücken und das Bild der realen Welt wahnhaft zu entstellen" [10], d.h. beispielsweise ein Glück im Jenseits als Belohnung für die Qualen der physischen Existenz im Diesseits zu versprechen. Die resultierende negative Belegung des Lebens und dessen Wertes führt auf diesem Wege dazu, dass durch den innigen Glauben eine subjektive Gewissheit des kommenden Glücks konstruiert wird, die das Ertragen des irdischen Leids erträglich(er) machen kann. Auf diese Weise wird das Glück nicht mehr primär in der greif- und beeinflussbaren Realität gesucht und dadurch sowohl die Illusion von Schutz vor dem Leid als auch die regelrechte Glücksversicherung eingeholt. Freud enttarnt dies als "Massenwahn" und "wahnhafte Umbildung der Wirklichkeit" [11] und macht deutlich, dass dieser Wahn nicht als solcher erkannt werden kann, solange der Glaube an dessen Rechtmäßigkeit Fixierung eines existiert. Religion psychischen kann bestenfalls durch "gewaltsame und Einbeziehung in den Infantilismus Massenwahn" [12] der Person ihre individuelle Neurose ersparen, ihr Versprechen auf Glück aber nicht halten. Das Versprechen eines sicheren Weges zur Erlangung des Glück ist nicht möglich, aber es gibt "viele Wege, die zum Glück führen können, wie es dem Menschen erreichbar ist" [13]. Nachdem nun quasi auf dem via negationes implizit bereits dargestellt wurde, was Glück behindert, was es nicht ist und was es nicht gewähren kann, wird im folgenden die von Freud vertretene These bezüglich des Glücks und des impliziten mitschwingenden Hedonismus konkludiert.

Konklusion: Was ist Glück? Was ist der (subjektive) Zweck des Lebens?

In der Glücksempfindung, so schreibt Freud, liegt "die Erfüllung unseres Lebenszwecks" [14] und definiert so den Sinn des Lebens als einen hedonistischen. Diese Einstellung zum Lebens lassen die Menschen durch "ihr Verhalten als Zweck und Absicht ihres Lebens erkennen" [15]. Das angestrebte Glück zeigt sich durch die Empfindung des selbigen, aber auch, und das wird Freud zufolge manchmal verkannt, in der Abwesenheit von Schmerz und Unlust. Anders formuliert wäre der subjektiv wahrgenommene Zweck des Lebens für die Menschen alleinig die Erfüllung des Lustprinzips, d.h. das Streben "danach, Lust zu gewinnen [und sich] von solchen Akten, welche Unlust erregen können" [16] zurückzuziehen. Die Empfindung des Glücks wird allerdings ihrerseits nicht nur durch den Organismus, sondern ebenfalls durch die Empfindung ihres Gegenteils definiert, d.h., Glück wäre ohne Leid für den Menschen nicht wahrnehmbar (und umgekehrt).

Ein derartiger Zweck ist nicht metaphysisch, sondern rein neurophysiologisch und neurochemisch begründet und stellt in diesem Sinne eine Determinierung des Menschen durch die Physis dar. Die hedonistische Definition des Lebenszwecks kommt also dem Streben nach der Erfüllung eines kollektiv-neurophysiologischen, natürlichen Lebensprinzips gleich, was durch die Beobachtung gestützt werden kann, dass Menschen, auch ohne sich dies reflexiv bewusstgemacht zu haben, nach diesem Prinzip agieren.

Dieses Verhalten als einen Zweck des Lebens zu bestimmen, stellt für Freud "jene menschliche Überhebung, von der wir soviel andere Äußerungen bereits kennen" [17] dar. Es ist also das übersteigerte Sich-selbstwichtig-nehmen, das zu dieser Frage erst verleitet. Daraus kann geschlossen werden, dass es nach Freud unsinnig ist, überhaupt an einen Zweck des Lebens zu glauben.

Zusammenfassung

Sigmund Freud entwickelt in seinem Werk "Das Unbehagen in der Kultur" die Theorie, dass der nach Glück strebende Mensch von drei Seiten dem Schmerz und Leid ausgesetzt ist: durch die bedrohlich-mächtige Außenwelt, durch den eigenen, vergänglichen Körper und durch Beziehungen zu anderen Menschen.

Allerdings stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, dem Leid entgegenwirkend zu begegnen. Eine Geringschätzung des erlebten Elends kann durch Methoden der "mächtigen Ablenkung" erlangt werden, um es zu verringern, ist es dem Menschen möglich, Ersatzbefriedigungen zu wählen. Am wirkungsvollsten, aber selbst gefährlichsten jedoch ist Manipulation des eigenen Organismus mittels psychotropher Substanzen. Diese Intoxikation greift in den Stoffwechsel des Körpers ein, der durch Gewährung der Empfindung des Leids dieses erst ermöglicht.

Die Religionen haben seit jeher versucht, dem Menschen allgemeingültige Lebensregeln zu geben und ebenfalls -jede auf ihre Weiseeinen Weg zum Glück vorgegeben. Dies ist jedoch nach Freud nicht erfolgversprechend und die Religion an sich stellt nichts anderes als eine Form des Massenwahns dar, der bestenfalls die Ausprägung einer individuellen Neurose präventiv abwenden kann

Aufgrund des im Menschen vorherrschenden Lustprinzips strebt jedes Individuum nach Glück, das im direkten Glücksempfinden und in der Abwesenheit von Leid zu finden ist. Der subjektiv aufgefasste Sinn des Lebens ist dem zu Folge ein Handeln nach dem Lustprinzip. Die Selbstüberschätzung des Menschen findet nach Freud besonderen Ausdruck in der eigentlichen Frage nach einem Lebenszweck, drückt sie doch aus, dass es einen metaphysischen Sinn für die menschliche Existenz geben soll.

Abschließende Bemerkungen

Einen Lebenszweck als a priori existent vorauszusetzten halte ich - wie Freud - nicht für schlüssig, weil die Individualität des Menschen dieses ausschließt und es für diese Theorie des weiteren keine mir bekannten, überzeugenden Anhaltspunkte gibt. Da die Religion als autoritäre Instanz versucht, dem Menschen diesen Sinn, wie Freud feststellt, aufzudrängen, ist sie nicht nur unfähig, Glück zu ermöglichen, sondern zudem noch eine gegen das Individuum als solches gerichtete Kraft. Insofern vertrete ich die These, dass es einen Sinn im Leben geben kann, und zwar einen, den der jeweilige Mensch sich dann a posteriori selbst gibt. Dieser Sinn ist in jeder Hinsicht subjektiv und erfährt seine Relevanz und Begründung nicht durch eine höhere Macht oder die Natur als solche, sondern lediglich durch die Reflexivität und Selbstzuschreibung des betreffenden Individuums. Da ich das von Freud behauptete Lustprinzip auch aus eigener Erfahrung für nicht widerlegbar und somit für schlüssig halte, gehe ich davon aus, dass der gegebenenfalls selbst gesetzte Lebenszweck als dem Lustprinzip untergeordnet anzusehen ist, welches wiederum seine Begrenzung im Rahmen von Vernunft und Moral findet.

Die Möglichkeit, Leid und Schmerz auch als unabdingbaren Teil des Lebens zu akzeptieren und als Chance für Erkenntnis und persönliche Entwicklung zu nutzen, halte ich für noch effektiver als seine alleinige Abwehr, obwohl diese Möglichkeit nach der psychoanalytischen Gesamttheorie wohl einer Form der Sublimierung gleichkommen würde, welche Freud ebenfalls als Abwehrmechanismus charakterisiert.

Literatur

Fußnoten

  1. Wörterbuch der philsophischen Begriffe, "Hedonismus", Seite 284
  2. "Das Unbehagen in der Kultur", Kapitel II, Seite 41
  3. "Das Unbehagen in der Kultur", Kapitel II, Seite 43
  4. "Das Unbehagen in der Kultur", Kapitel II, Seite 48
  5. "Psychologie des Unbewußten", "Die beiden Triebarten", Kapitel IV, Seite 311
  6. "Das Unbehagen in der Kultur", Kapitel II, Seite 44
  7. "Das Unbehagen in der Kultur", Kapitel II, Seite 44/45
  8. "Das Unbehagen in der Kultur", Kapitel II, Seite 45
  9. "Das Unbehagen in der Kultur", Kapitel II, Seite 42
  10. "Das Unbehagen in der Kultur", Kapitel II, Seite 51
  11. "Das Unbehagen in der Kultur", Kapitel II, Seite 48
  12. "Das Unbehagen in der Kultur", Kapitel II, Seite 51
  13. "Das Unbehagen in der Kultur", Kapitel II, Seite 51
  14. "Das Unbehagen in der Kultur", Kapitel IV, Seite 70
  15. "Das Unbehagen in der Kultur", Kapitel II, Seite 42
  16. "Psychologie des Unbewussten", "Formulierungen über die zwei Prinzipien des psychischen Geschehens", Seite 18
  17. "Das Unbehagen in der Kultur", Kapitel II, Seite 42